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Kultur
Die Lourdesgrotte im Vatikan

Ein kleines Lourdes im Schatten von Sankt Peter

Ein kleines Lourdes im Schatten von Sankt Peter
1902 wurde in den Vatikanischen Gärten die Lourdesgrotte geschaffen, eine getreue Nachbildung der Grotte von Massabielle. Bischof Schoepfer von Tarbes und Lourdes, auf den die Initiative zurückgeht, ist auf einem Mosaikbild rechts oben parallel zum Bild von Papst Leo XIII. dargestellt.
Von Ulrich Nersinger

Leo XIII. (Gioacchino Pecci, 1878-1903) war der Papst, der sein ganzes Pontifikat – ein viertel Jahrhundert – hinter den Mauern des Vatikans verbrachte. Als er dem seligen Pius IX. (Giovanni Maria Mastai Ferretti, 1846-1878) auf den Stuhl des heiligen Petrus folgte, waren es gerade acht Jahre her, dass piemontesische Truppen in Rom einmarschiert waren. Papst Pius IX. hatte gegen die Einverleibung des Kirchenstaates in das Königreich Italien protestiert, sich dann in den Apostolischen Palast zurückgezogen und zum »Gefangenen des Vatikans« erklärt. Leo XIII. sah sich durch die politischen Umstände gezwungen, den Standpunkt seines Vorgängers beizubehalten. Die Vatikanischen Gärten boten dem Papst nunmehr die einzige Möglichkeit, sich im Freien zu bewegen, ohne sein »Gefängnis« verlassen zu müssen. Wann immer es der Terminkalender erlaubte, suchte der Papst die beschaulichen Gartenanlagen auf.

Maßstabgetreue Nachbildung

Die katholische Presse der damaligen Zeit informierte ihre Leserschaft ausführlich über die »Gefangenschaft« des Papstes – wen er in Audienz empfing, was ihm das tägliche Zeremoniell abforderte und wie er in den Vatikanischen Gärten Erholung fand. Mit den Worten »Bringen wir die katholische Welt in den Vatikan!« hatte der für den Wallfahrtsort Lourdes zuständige Bischof von Tarbes, Francois-Xavier Schoepfer, die Katholiken in aller Welt, insbesondere aber die Frankreichs, zu einer ungewöhnlichen Spendenaktion aufgerufen. Mit den eingenommenen Geldern wollte man Leo XIII. eine maßstabgerechte Nachbildung der Grotte von Lourdes zum Geschenk machen. Das Unterfangen gelang.

Alter und Krankheit des Papstes ließen die Arbeiten an der Gebetsstätte im Schatten von Sankt Peter schnell vorankommen, so dass der greise Pontifex noch eine provisorische Einweihung der Grotte vornehmen konnte. Der Feier am 1. Juni 1902 wohnte neben einer großen Schar von Kardinälen, Bischöfen, Prälaten und Gläubigen auch der Botschafter Frankreichs bei. Die endgültige Weihe vollzog der heilige Pius X. (Giuseppe Sarto, 1903-1914) am 28. März 1905. Zwar waren erst drei Jahre seit der Übergabe der Grotte an Leo XIII. vergangen, aber die Beziehungen des offiziellen Frankreich zum Heiligen Stuhl hatten sich gewandelt; sie waren gänzlich zum Erliegen gekommen. Daher nahm diesmal kein Botschafter der Grande Nation an der Feier in den Vatikanischen Gärten teil.

Der Architekt der Apostolischen Paläste ließ es leider zu, dass man der Nachbildung der Grotte unnötige Anbauten beifügte – durch seitliche Aufgänge gelangte man zu einer Kopie der Kirche von Lourdes in verkleinertem Maßstab, die mit einem gotischen Turm aus Eisenbeton »geschmückt« war. »Von welcher Seite man auch die grüne Masse der Gärten betrachten mochte, diese Spitze guckte überall dreist hervor. An dem höchst klassischen Horizont von Rom, der von zweitausendjährigen Travertinbogen gekennzeichnet ist, wies sie immer wieder auf die kindliche Anmaßung derer hin, die sich anheischig machten, allen Stilarten mit oder ohne Eisenbeton wieder Leben einzuhauchen« , notierte ein Journalist.

Papst Pius XI. (Achille Ratti, 1922-1939) sah sich der Wallfahrtsstätte in den französischen Pyrenäen sehr verbunden. Schon als Erzbischof von Mailand hatte er sich entsprechend geäußert: »Ehe ich in meine Diözese einzog, ging ich nach Rom, um den Segen des Heiligen Vaters und nach Lourdes um den Beistand der Unbefleckten Jungfrau zu erbitten«. Wenn sich der Papst in die Vatikanischen Gärten begab, ärgerte er sich stets über die unansehnlichen Anbauten der Grotte. Gegenüber Monsignore Carlo Confalonieri, seinem Privatsekretär und geistlichem Kammerherrn, sprach er von einer »grauenhaften Monstrosit ät«.

Deren beginnende Baufälligkeit und die anstehende Heiligsprechung der Seherin von Lourdes, Bernadette Soubirous, nahm Papst Pius XI. im Jahre 1933 zum Anlass, den Abriss der misslungenen Konstruktion anzuordnen. Die damals noch verschonten Seitenrampen ließ dann der heilige Johannes XXIII. (Angelo Giuseppe Roncalli, 1958-1963) entfernen. Der Papst hatte nur wenige Monate vor seiner Wahl als Legat Pius’ XII. (Eugenio Pacelli, 1939-1958) die dem heiligen Pius X. geweihte unterirdische Basilika in Lourdes konsekriert. 1960 erhielt Johannes XXIII. von Monsignore Pierre-Marie Théas, dem Bischof der Wallfahrtsstätte, den Altar zum Geschenk, der über fünfzig Jahre zur Feier der heiligen Messe in der Erscheinungsgrotte gedient hatte. [...]
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