Bei der Begegnung mit Mitgliedern des Heiligen Synods, des höchsten Gremiums der orthodoxen Kirche auf Zypern, hat sich der Papst für eine größere Nähe zur orthodoxen Kirche ausgesprochen. Zuvor hatte Franziskus den orthodoxen Erzbischof Chrysostomos II. zu einem kurzen Gespräch getroffen.
Eure Seligkeit,
liebe Bischöfe des Heiligen Synod,
ich freue mich, unter euch zu sein, und ich bin dankbar für die herzliche Aufnahme. Ich danke Ihnen, lieber Bruder, für Ihre Worte, für Ihre Offenheit des Herzens und für Ihr Engagement, den Dialog unter uns zu fördern. Ich möchte die Priester, Diakone und alle Gläubigen der orthodoxen Kirche Zyperns grüßen und dabei besonders an die Mönche und Nonnen denken, die durch ihr Gebet den Glauben aller läutern und erheben.
Die Gnade, hier zu sein, erinnert mich daran, dass wir einen gemeinsamen apostolischen Ursprung haben: Paulus zog durch Zypern und kam danach nach Rom. Wir entstammen also demselben apostolischen Eifer, und ein einziger Weg verbindet uns, nämlich der des Evangeliums. Es freut mich zu sehen, dass wir den gleichen Weg gehen, auf der Suche nach immer größerer Geschwisterlichkeit und vollständiger Einheit. In diesem Teil des Heiligen Landes, der die Gnade jener Orte am Mittelmeerraum ausstrahlt, ist es ganz natürlich, an viele Episoden und Figuren der Bibel zu denken. Unter ihnen möchte ich wieder auf den heiligen Barnabas verweisen und einige Aspekte hervorheben, die uns auf unserem Weg leiten können.
»Josef, […] der von den Aposteln Barnabas […] genannt wurde« (Apg 4,36). So wird er in der Apostelgeschichte vorgestellt. Wir kennen und verehren ihn unter seinem Beinamen, der so bezeichnend für seine Person war. Das Wort Barnabas bedeutet sowohl »Sohn des Trostes« als auch »Sohn der Ermahnung«. Es ist schön, dass in seiner Gestalt beide Eigenschaften, die für die Verkündigung des Evangeliums unerlässlich sind, miteinander verschmelzen. Jeder echte Trost kann nämlich nicht auf der Gefühlsebene bleiben, sondern muss in eine Ermahnung übersetzt werden, die die Freiheit zum Guten hinführt. Gleichzeitig kann sich jede Ermahnung im Glauben nur auf die tröstende Gegenwart Gottes stützen und von brüderlicher Liebe begleitet sein.
So ermahnt Barnabas, der Sohn des Trostes, uns, seine Brüder, dieselbe Sendung zu übernehmen, den Menschen das Evangelium zu bringen, und lädt uns ein zu verstehen, dass die Verkündigung nicht nur auf allgemeinen Ermahnungen, auf der Wiederholung von Geboten und zu beachtenden Normen beruhen kann, wie es oft geschehen ist. Sie muss dem Weg der persönlichen Begegnung folgen und auf die Fragen der Menschen, auf ihre existenziellen Bedürfnisse achten. Um Kinder des Trostes zu sein, muss man, bevor man etwas sagt, zuhören, sich in Frage stellen lassen, den anderen entdecken, teilen. Denn das Evangelium wird durch Gemeinschaft weitergegeben. Das ist es, was wir als Katholiken in den kommenden Jahren leben wollen, indem wir die synodale Dimension wiederentdecken, die für das Kirche-Sein konstitutiv ist. Und dabei haben wir das Bedürfnis, noch intensiver mit euch, liebe Brüder, zusammenzuarbeiten, die ihr uns durch die Erfahrung eurer Synodalität wirklich helfen könnt. Ich danke euch für eure brüderliche Zusammenarbeit, die auch durch eure aktive Teilnahme an der Gemeinsamen Internationalen Kommission für den theologischen Dialog zwischen der römisch-katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche zum Ausdruck kommt.
Ich hoffe aufrichtig, dass die Möglichkeiten, einander zu begegnen, sich besser kennenzulernen, viele Vorurteile abzubauen und den Glaubenserfahrungen der anderen offen zuzuhören, zunehmen werden. Es wird für jeden von uns eine anregende Ermutigung sein, es besser zu machen, und wird uns beiden geistigen Trost spenden. Der Apostel Paulus, von dem wir abstammen, spricht oft vom Trost, und es ist gut vorstellbar, dass Barnabas, der Sohn des Trostes, die Inspiration für einige seiner Worte war, wie zum Beispiel für jene Empfehlung zu Beginn des zweiten Korintherbriefes, dass wir einander mit demselben Trost trösten sollen, mit dem wir von Gott getröstet worden sind (vgl. 2 Kor 1,3-5). In diesem Sinne, liebe Brüder, möchte ich euch meiner Gebete und der Nähe meinerseits und der katholischen Kirche zu euch versichern, sowohl in den schmerzlichsten Problemen, die euch bedrücken, als auch in den schönsten und kühnsten Hoffnungen, die euch beseelen. Eure Traurigkeit und eure Freuden gehören zu uns, wir empfinden sie, als wären sie die unseren! Und wir spüren auch, dass wir eure Gebete sehr nötig haben.
Dann – als ein zweiter Aspekt – wird der heilige Barnabas in der Apostelgeschichte als »ein Levit, gebürtig aus Zypern« (Apg 4,36) vorgestellt. Der Text fügt keine weiteren Einzelheiten hinzu, weder über sein Aussehen noch über seine Person, aber gleich danach wird Barnabas durch eine bedeutungsreiche Handlung von ihm offenbart: er »verkaufte einen Acker, der ihm gehörte, brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen« (V. 37). Diese großartige Geste deutet darauf hin, dass auch wir, um die Fülle der Einheit zu fördern, den Mut haben müssen, das Irdische abzulegen, auch wenn es kostbar ist, wenn wir die Gemeinschaft und Sendung neu beleben wollen. Ich spreche sicher nicht von dem, was heilig ist und uns hilft, dem Herrn zu begegnen, sondern von der Gefahr der Verabsolutierung bestimmter Sitten und Gebräuche, die nicht wesentlich sind, um den Glauben zu leben. Lassen wir uns nicht von der Angst lähmen, uns zu öffnen und mutige Zeichen zu setzen, geben wir uns nicht jener »Unversöhnlichkeit der Unterschiede« hin, die sich nicht im Evangelium widerspiegelt! Wir dürfen nicht zulassen, dass die Traditionen im Sinne eines kulturellen Erbes gegenüber der Tradierung der Botschaft Jesu die Oberhand gewinnen. Diese ermutigt uns, Barnabas nachzuahmen, alles, auch das Gute, zurückzulassen, was die Fülle der Gemeinschaft, den Vorrang der Liebe und die Notwendigkeit der Einheit beeinträchtigen kann. [...]
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