Am Montagnachmittag (Ortszeit) waren Zehntausende zur heiligen Messe in das 1988 eröffnete Stadion gekommen, das als Traglufthalle konzipiert ist und eine große Kuppel besitzt. Der Papst feierte die »heilige Messe für das Geschenk des menschlichen Lebens« mit den Texten des Hochgebets in lateinischer Sprache. Die Predigt hielt der Papst auf Spanisch, er sagte:
Das Evangelium, das wir gehört haben, ist der ersten großen Rede Jesu entnommen: Sie ist uns unter dem Namen »Bergpredigt« bekannt und beschreibt uns die Schönheit des Weges, den wir eingeladen sind zu beschreiten. Gemäß der Bibel ist der Berg der Ort, wo Gott sich offenbart und sich zu erkennen gibt: »Steig zum mir hinauf«, sagte der Herr zu Mose (vgl. Ex 24,1). Ein Berg, dessen Gipfel man nicht aus Ehrgeiz oder Karrierismus erklimmt, sondern nur mit dem aufmerksamen, geduldigen und feinfühligen Hören auf den Meister inmitten der Wegkreuzungen. Der Gipfel ebnet sich, um uns eine immer neue, auf dem Erbarmen des Vaters gegründete Perspektive auf all das zu schenken, was uns umgibt. In Jesus finden wir den Höhepunkt dessen, was Menschsein bedeutet. Er weist uns den Weg, der uns zur Fülle führt, der alle bekannten Berechnungen zu übersteigen vermag; in ihm finden wir ein neues Leben, in der wir die Freiheit erfahren können, darum zu wissen, dass wir geliebte Kinder sind.
Wir sind uns jedoch der Tatsache bewusst, dass entlang des Weges diese kindliche Freiheit erstickt und geschwächt werden kann, wenn wir Gefangene des Teufelskreises der Angst und des Leistungsdrucks werden oder wenn wir unsere ganze Aufmerksamkeit und unsere besten Energien in der bedrängenden und hektischen Suche nach Produktivität und Konsum als einzigem Kriterium konzentrieren, um unsere Entscheidungen abzuwägen und zur Geltung zu bringen oder um zu definieren, wer wir sind oder wie viel wir wert sind. Ein Maß, das uns allmählich für die wichtigen Dinge undurchlässig und unempfindlich macht und das Herz antreibt, für Überflüssiges oder Nebensächliches zu schlagen. Wie sehr bedrückt und fesselt die Seele die zwanghafte Vorstellung, dass alles produziert, errungen und kontrolliert werden kann!
Hier in Japan, in einer Gesellschaft mit einer weitentwickelten Wirtschaft, haben mich die jungen Menschen heute Morgen bei der Begegnung mit ihnen darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht wenige Personen gibt, die sozial isoliert sind und an den Rändern bleiben, die unfähig sind, die Bedeutung des Lebens und ihrer Existenz zu begreifen. Haus, Schule und Gemeinschaft, die dazu bestimmt sind, Orte zu sein, an denen jeder die anderen unterstützt und ihnen hilft, verfallen immer mehr aufgrund des übermäßigen Wettbewerbs bei der Suche nach Gewinn und Effizienz. Viele Personen fühlen sich verwirrt und unruhig, sie werden von zu vielen Anforderungen und Sorgen erdrückt, die ihnen den Frieden und das Gleichgewicht nehmen.
Wie heilender Balsam klingen die Worte Jesu, die uns dazu einladen, uns nicht zu beunruhigen und Vertrauen zu haben. Dreimal sagt er uns mit Nachdruck: Seid nicht besorgt um euer Leben … um das Morgen (vgl. Mt 6,25.31.34). Dies heißt aber nicht, alles Geschehen um uns herum zu ignorieren oder in unseren Beschäftigungen und täglichen Verantwortungen leichtfertig zu werden; im Gegenteil, es ist eine Provokation, unsere Prioritäten einem weiteren Sinnhorizont zu öffnen und so Raum zu schaffen, um in die gleiche Richtung zu schauen: »Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben« (Mt 6,33). [...]
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