Am zweiten Tag seiner Reise brach Papst Franziskus von Bogotá aus zu einem Besuch in der knapp 100 Kilometer südlich der kolumbianischen Hauptstadt gelegenen Stadt Villavicencio auf. Bei einer Messe unter freiem Himmel, an der rund eine halbe Million Menschen teilnahmen, sprach der Heilige Vater zwei Märtyrer des kolumbianischen Bürgerkriegs selig. Im Folgenden seine Predigt im Wortlaut:
Deine Geburt, Jungfrau und Gottesgebärerin, ist der neue Morgen, der der ganzen Welt Freude gebracht hat. Denn aus dir ging hervor die Sonne der Gerechtigkeit, Christus, unser Gott (vgl. Benedictus-Antiphon). Das Fest der Geburt Mariens wirft sein Licht auf uns, so wie das sanfte Morgenlicht die weite Ebene Kolumbiens durchflutet, diese wunderbare Landschaft, deren Eintrittstor Villavicencio ist; so wie es auch in der reichen Verschiedenheit der indigenen Völker erstrahlt.
Maria ist der erste Lichtschein, der das Ende der Nacht und vor allem den nahen Tag ankündigt. Ihre Geburt lässt uns die liebevolle, zärtliche, erbarmende Initiative der Liebe erahnen, mit der Gott sich bis zu uns herabneigt und uns zu einem wunderbaren Bund mit ihm ruft, den nichts und niemand wird zerstören können.
Maria war für das Licht Gottes durchlässig und hat den Schein dieses Lichts in ihrem Haus widergespiegelt, das sie mit Josef und Jesus teilte, wie auch in ihrem Volk, in ihrem Land und in jenem gemeinsamen Haus der ganzen Menschheit, das die Schöpfung ist.
Im Evangelium haben wir den Stammbaum Jesu gehört (vgl. Mt 1,1-17), der nicht eine bloße Auflistung von Namen ist, sondern lebendige Geschichte, die Geschichte eines Volks, mit dem Gott auf dem Weg ist. Dadurch, dass er zu einem von uns wurde, verkündete er uns, dass in seinem Blut die Geschichte der Gerechten und Sünder fließt, dass unser Heil nicht ein steriles Heil aus dem Labor ist, sondern konkret, ein Heil des Lebens, das unterwegs ist. Diese lange Liste sagt uns, dass wir ein kleiner Teil einer großen Geschichte sind. Sie hilft uns, nicht den Anspruch zu erheben, ganz im Mittelpunkt stehen zu müssen, und sie hilft uns, der Versuchung einer Flucht in eine Spiritualisierung zu widerstehen und uns nicht von den historischen Gegebenheiten zu lösen, in denen wir zu leben haben. Darüber hinaus schließt sie in unsere Heilsgeschichte die dunkleren oder traurigeren Seiten ein, die Augenblicke der Trostlosigkeit und der Verlassenheit, die der Verbannung ähnlich sind.
Die Erwähnung der Frauen – keine von den im Stammbaum genannten Frauen gehört der Hierarchie der großen Frauengestalten des Alten Testaments an – erlaubt uns eine besondere Annäherung: Sie verkünden im Stammbaum, dass in den Adern Jesu auch heidnisches Blut fließt, und sie erinnern uns an Geschichten der Ausgrenzung und der Unterwerfung. In Gemeinschaften, in denen wir immer noch patriarchalische und chauvinistische Haltungen mit uns tragen, ist es gut zu sagen, dass das Evangelium mit der Hervorhebung von Frauen beginnt, die eine Richtung vorgegeben haben und Geschichte geschrieben haben. [...]
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