Zum Abschluss seines ersten Besuchstags hat Papst Franziskus die kolumbianische Gesellschaft bei einem großen Gottesdienst unter freiem Himmel zu einem gemeinsamen Neuanfang aufgerufen. Nach Angaben der Stadtverwaltung nahmen gut 1,3 Millionen Gläubige an der Eucharistiefeier im Simón-Bolívar-Park von Bogotá teil. Der Papst sagte in seiner Predigt:
Der Evangelist erinnert daran, dass die Berufung der ersten Jünger am Ufer des Sees Gennesaret stattgefunden hat, dort, wo die sich die Menschenmenge ansammelte, um einer Stimme zuzuhören, die fähig war, ihnen Orientierung zu geben und sie zu erleuchten; dies ist auch der Ort, wo die Fischer ihren anstrengenden Tag beenden, an dem sie nach Unterhalt suchen, um ein würdiges, glückliches Leben, ein Leben ohne Entbehrungen zu führen. Es ist das einzige Mal im ganzen Lukasevangelium, dass Jesus am sogenannten Galiläischen Meer predigt. Draußen auf dem See treffen die Hoffnung auf fruchtbare Arbeit und die Enttäuschung über die nutzlosen vergeblichen Bemühungen zusammen. Und gemäß einer alten christlichen Lesart steht das Meer auch für die unendliche Weite, in der alle Völker zusammenleben. Schließlich lässt es aufgrund seines Seegangs und seiner Dunkelheit an all das denken, was die menschliche Existenz bedroht und die Macht hat, sie zu zerstören.
Wir verwenden ähnliche Ausdrücke, um Volksmassen zu beschreiben: eine Menschenflut, ein Menschenmeer. An diesem Tag hat Jesus das Meer hinter sich und vor sich eine Menschenmenge, die ihm gefolgt ist, weil sie um seine Anteilnahme am menschlichen Leid weiß … und um seine rechten, tiefen, treffsicheren Worte. Sie alle kommen, um ihm zuzuhören, das Wort Jesu hat etwas Besonderes, das niemanden gleichgültig lässt; sein Wort hat die Macht, Herzen zu bekehren, Pläne und Vorhaben zu ändern. Es ist ein von der Tat bestätigtes Wort, es handelt sich nicht um eine auf dem Schreibtisch entstandene Schlussfolgerung, um das Ergebnis von Abkommen, die kalt und distanziert sind gegenüber dem Leid der Menschen. Deshalb ist es ein Wort, das sowohl am sicheren Ufer als auch auf dem unberechenbaren Meer von Nutzen ist.
Diese geliebte Stadt Bogotá und dieses schöne Land Kolumbien weisen viel von diesen menschlichen Szenarien auf, die sich im Evangelium finden. Hier trifft man auf Volksmassen, die sich nach einem Wort des Lebens sehnen, das mit seinem Licht alle Bemühungen erhellt und den Sinn sowie die Schönheit des menschlichen Daseins aufzeigt. Diese Scharen von Männern und Frauen, Kindern und Alten bewohnen ein Land von unvorstellbarer Fruchtbarkeit, das für alle Frucht tragen könnte. Aber hier wie in anderen Teilen der Welt gibt es auch dichte Finsternis, die das Leben bedroht und zerstört: die Finsternis der Ungerechtigkeit und der sozialen Ungleichheit; die korrumpierende Finsternis von Einzeloder Gruppeninteressen, die auf egoistische und hemmungslose Weise aufbrauchen, was für das Wohlergehen aller bestimmt ist; die Finsternis der Missachtung des menschlichen Lebens, die täglich der Existenz so vieler Unschuldiger ein Ende setzt, deren Blut zum Himmel schreit; die Finsternis des Rachedurstes und des Hasses, welche die Hände derer mit menschlichem Blut besudelt, die sich selbst Recht verschaffen wollen; die Finsternis derer, die angesichts des Schmerzes so vieler Opfer gefühllos werden. All diese Finsternisse vertreibt und vernichtet Jesus mit seinem Befehl auf dem Schiff Petri: »Fahr hinaus auf den See« (vgl. Lk 5,4). [...]
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