Liebe Brüder und Schwestern,
âba-wash-did! Tansi! Oki! [Guten Tag].
Es ist schön für mich, hier zu sein, als Pilger mit euch und in eurer Mitte. In diesen Tagen, und vor allem heute, war ich beeindruckt vom Klang der Trommeln, die mich überallhin begleiteten, wo ich hinging. Dieser Trommelschlag schien mir das Echo vieler Herzen zu sein: die Herzen, die im Laufe der Jahrhunderte an diesen Gewässern pulsiert haben; die Herzen so vieler Pilger, die sich zusammengetan haben, um diesen »See Gottes« zu erreichen! Hier kann man wirklich den gemeinsamen Herzschlag eines Pilgervolkes wahrnehmen, von Generationen, die sich auf den Weg zum Herrn gemacht haben, um sein heilendes Wirken zu erfahren. Wie viele Menschenherzen sind hierhergekommen, sehnsüchtig und außer Atem, von der Last des Lebens niedergedrückt, und haben an diesem Wasser Trost und Kraft gefunden, um weiterzugehen! Auch hier, inmitten der Schöpfung, können wir einen anderen Schlag hören, den mütterlichen Herzschlag der Erde. Und so wie der Herzschlag der Kinder vom Mutterleib an mit dem ihrer Mütter harmoniert, müssen wir, um als Menschen zu wachsen, die Rhythmen des Lebens mit denen der Schöpfung, die uns das Leben schenkt, in Einklang bringen. So kehren wir heute zu den Quellen unseres Lebens zurück: zu Gott, zu den Eltern und am Tag und im Haus der heiligen Anna zu den Großeltern, die ich sehr herzlich grüße.
Getragen von diesen lebenswichtigen Herzschlägen sind wir nun hier, in der Stille, und betrachten das Wasser dieses Sees. Es hilft uns, auch zu den Quellen des Glaubens zurückzukehren. Es ermöglicht uns, in Gedanken zu den heiligen Stätten zu pilgern: Wir können uns Jesus vorstellen, der einen großen Teil seines Wirkens gerade an den Ufern eines Sees, dem See Gennesaret, ausgeübt hat. Dort wählte und berief er die Apostel, verkündete die Seligpreisungen, erzählte die meisten Gleichnisse, tat Zeichen und Heilungen. Dieser See bildete das Zentrum des »heidnischen Galiläas« (Mt 4,15), ein peripheres Handelsgebiet, in dem verschiedene Bevölkerungsgruppen zusammenflossen und die Region mit unterschiedlichen Traditionen und Kultformen gestalteten. Es war der geografisch und kulturell am weitesten von der religiösen Reinheit entfernte Ort, die sich in Jerusalem im Tempel bündelte. Wir können uns also jenen See, der Galiläisches Meer genannt wurde, als ein Kondensat von Unterschiedlichkeiten vorstellen: An seinen Ufern trafen Fischer und Zöllner aufeinander, Zenturien und Sklaven, Pharisäer und Arme, Männer und Frauen unterschiedlichster Herkunft und sozialer Schichten. Dort, genau dort, hat Jesus das Reich Gottes gepredigt: nicht ausgewählten religiösen Menschen, sondern verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die so wie heute von zahlreichen Gegenden herbeieilten; er hat alle willkommen geheißen und ihnen vor einer Naturbühne, so wie hier, gepredigt. Gott hat dieses vielseitige und heterogene Umfeld gewählt, um der Welt etwas Revolutionäres zu verkünden, so zum Beispiel: »Haltet die andere Wange hin, liebt die Feinde, lebt als Brüder und Schwestern, um Kinder Gottes zu sein, des Vaters, der die Sonne aufgehen lässt über Guten und Bösen und es regnen lässt über Gerechte und Ungerechte« (vgl. Mt 5,38-48). So wurde gerade dieser See, »ein Schmelztiegel der Verschiedenheiten«, zum Schauplatz einer noch nie dagewesenen Verkündigung der Geschwisterlichkeit, einer Revolution ohne Tote und Verletzte, der Revolution der Liebe. Und hier, an den Ufern dieses Sees, versetzt uns der Klang der Trommeln, der die Jahrhunderte überdauert und die verschiedenen Völker vereint, bis in diese Zeit zurück. Er erinnert uns daran, dass die Geschwisterlichkeit echt ist, wenn sie diejenigen vereint, die weit voneinander entfernt sind, dass die Botschaft der Einheit, die der Himmel auf die Erde sendet, keine Angst vor Verschiedenheiten hat und uns zur Gemeinschaft einlädt, zur Gemeinschaft der Unterschiede, um gemeinsam wieder aufzubrechen, weil wir alle – alle! – Pilger auf dem Weg sind. [...]
Lesen Sie mehr in der Printausgabe. |