Bei seiner zweiten Begegnung mit Indigenen auf seiner Kanadareise hat Papst Franziskus jeglicher Zwangsmissionierung eine Absage erteilt. »Man kann Gott nicht auf eine Weise verkünden, die im Widerspruch zu Gott steht«, sagte er beim Besuch einer Kirchengemeinde in Edmonton. Leider sei das oft in der Geschichte passiert. Gott biete sich demütig an, Menschen versuchten dagegen, ihn aufzuzwingen und in seinem Namen sich selbst aufzudrängen. »Im Namen Jesu, dies möge in der Kirche nicht mehr vorkommen«, so der Heilige Vater. In der im Jahr 1913 gegründeten Kirchengemeinde »Sacred Heart« leben relativ viele Angehörige der First Nations, also ursprüngliche Bewohner des heutigen Kanada. Die Pfarrei wurde 1991 vom damaligen Erzbischof zur Nationalkirche der indigenen First Nations, Metis und Inuit erklärt. Heute leben auch viele Migranten und Flüchtlinge dort.
Liebe Brüder und Schwestern, guten Abend! Mir ist es eine Freude, unter euch zu sein und die Gesichter mehrerer indigener Vertreter wiederzusehen, die mich vor einigen Monaten in Rom besucht haben. Dieser Besuch hat mir viel bedeutet: Jetzt bin ich bei euch zu Hause, als Freund und Pilger, bin in eurem Land, in dem Gotteshaus, in dem ihr euch einfindet, um Gott als Brüder und Schwestern zu loben. Nachdem ich euch zugehört hatte, sagte ich in Rom zu euch, dass »ein wirksamer Heilungsprozess konkrete Maßnahmen erfordert« (Ansprache an die Delegationen der indigenen Völker Kanadas, 1. April 2022). Ich freue mich zu sehen, dass in dieser Pfarrgemeinde, in der Menschen aus verschiedenen Gemeinschaften der First Nations, der Métis und Inuit gemeinsam mit Menschen nicht-indigener Bevölkerungen aus den lokalen Stadtteilen und einigen immigrierten Brüdern und Schwestern zusammenkommen, dieser Prozess bereits begonnen hat. Dies ist ein Haus für alle, offen und inklusiv, so wie es auch die Kirche sein muss, eine Familie der Kinder Gottes, in der Gastfreundschaft und Annahme, typische Werte der indigenen Kultur, von wesentlicher Bedeutung sind: Hier muss sich jeder willkommen fühlen, unabhängig von der Vorgeschichte und den individuellen Lebensumständen. Und ich möchte euch danken für eure konkrete Nähe durch die Nächstenliebe zu so vielen Armen – das berührt mich sehr – sie sind auch in diesem reichen Land zahlreich: Das ist es, was Jesus wünscht, der uns gesagt hat und uns im Evangelium immer wieder sagt: »Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan« (Mt 25,40). Es ist Jesus, der dort gegenwärtig ist. Und gleichzeitig muss gesagt werden, dass sich auch in der Kirche das Unkraut unter den guten Weizen mischt. Auch in der Kirche. Und genau aufgrund dieses Unkrauts wollte ich diese Pilgerfahrt der Buße unternehmen und sie heute Morgen beginnen, indem ich an das Böse erinnere, das den indigenen Bevölkerungen von so vielen Christen angetan wurde, und sie mit großem Kummer um Vergebung bitte. Es verletzt mich, wenn ich daran denke, dass Katholiken zu einer Politik der Assimilation und Entrechtung beigetragen haben, die ein Gefühl der Minderwertigkeit vermittelte, indem es Gemeinschaften und Menschen ihrer kulturellen und spirituellen Identität beraubte, ihre Wurzeln abschnitt und vorurteilsbehaftete und diskriminierende Haltungen nährte, und dass dies auch im Namen einer Erziehung geschah, von der man annahm, dass sie christlich sei. Erziehung muss immer von der Achtung und Förderung der in den Personen bereits vorhandenen Talente ausgehen. Sie ist nicht und kann nie etwas Vorgefertigtes sein, das man aufzwingt, denn die Erziehung ist das Abenteuer, das Geheimnis des Lebens gemeinsam zu erkunden und zu entdecken. Gott sei Dank werden in Pfarreien wie dieser durch die Begegnung Tag für Tag die Grundlagen für Heilung und Versöhnung geschaffen. Heilung, Versöhnung. Ich möchte etwas sagen, was hier nicht steht. Ich möchte mich besonders für die Arbeit bedanken, die die Bischöfe geleistet haben, damit ich hierher kommen konnte und damit ihr dorthin [nach Rom] kommen konntet. Eine geeinte Bischofskonferenz macht große Gesten, trägt große Früchte. Vielen Dank an die Bischofskonferenz! [...]
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