Lieber Bruder, Doktor Ahmad al-Tayyeb, Großimam von al-Azhar, liebe Mitglieder des Muslim Council of Elders, liebe Freunde, As-salamu alaikum!
Ich grüße euch herzlich und wünsche, dass der Friede des Allerhöchsten auf jeden von euch herabkommen möge: auf euch, die ihr euch für die Versöhnung einsetzen wollt, um Spaltungen und Konflikte in den muslimischen Gemeinschaften zu vermeiden; auf euch, die ihr im Extremismus eine Gefahr seht, die die wahre Religion zersetzt; auf euch, die ihr euch bemüht, Fehlinterpretationen auszuräumen, welche durch Gewaltanwendung ein religiöses Bekenntnis missverstehen, instrumentalisieren und beschädigen. Möge der Friede auf euch herabkommen und euch erhalten bleiben, die ihr ihn verbreiten wollt, indem ihr den Herzen die Werte des Respekts, der Toleranz und der Mäßigung einflößt; auf euch, die ihr freundschaftliche Beziehungen, gegenseitigen Respekt und gegenseitiges Vertrauen gegenüber denjenigen fördern wollt, die wie ich einem anderen religiösen Glauben anhängen; auf euch, Brüder und Schwestern, die ihr bei den jungen Menschen eine moralische und intellektuelle Erziehung befördern wollt, die sich allen Formen des Hasses und der Intoleranz entgegenstellt. As-salamu alaikum!
Gott ist Quelle von Frieden. Er gebe, dass wir überall Kanäle seines Friedens sind! Vor euch möchte ich noch einmal betonen, dass der Gott des Friedens niemals zum Krieg anleitet, niemals zum Hass aufstachelt und niemals Gewalt unterstützt. Und wir, die wir an ihn glauben, sind aufgerufen, den Frieden zu fördern durch Instrumente des Friedens wie die Begegnung, geduldige Verhandlungen und den Dialog, der der Sauerstoff des Zusammenlebens ist. Eines eurer Ziele ist die Verbreitung einer Kultur des Friedens, die auf Gerechtigkeit beruht. Ich möchte euch sagen, dass dies der Weg, ja der einzige Weg ist, denn der Friede »ist Werk der Gerechtigkeit (Gaudium et spes, 78). Er entspringt also der Geschwisterlichkeit, wächst durch den Kampf gegen Ungerechtigkeit und Ungleichheit und wird aufgebaut, indem man den anderen die Hand reicht« (Ansprache anlässlich der Verlesung der Abschlusserklärung und des Abschlusses des »VII. Congress of Leaders of World and Traditional Religions«, 15. September 2022). Es reicht nicht, Frieden bloß zu verkünden, er muss auch verwurzelt werden. Und dies ist möglich, wenn Ungleichheit und Diskriminierung, die zu Instabilität und Feindseligkeit führen, beseitigt werden.
Ich danke euch für euer Engagement in diesem Sinne sowie für den Empfang, den ihr mir bereitet, und die Worte, die ihr geäußert habt. Ich komme zu euch als Gottgläubiger, als ein Bruder und Pilger des Friedens. Ich komme zu euch, um mit euch gemeinsam unterwegs zu sein, im Geiste von Franz von Assisi, der zu sagen pflegte: »Wie ihr mit dem Mund den Frieden verkündet, so, und noch mehr, sollt ihr ihn in eurem Herzen festhalten« (Dreigefährtenlegende, XIV, 5: FF 1469). Es hat mich berührt zu sehen, dass es in diesen Ländern hier Brauch ist, beim Willkommenheißen eines Gastes nicht nur dessen Hand zu ergreifen, sondern die Hand als Zeichen der Zuneigung auch zum eigenen Herzen zu führen. Wie um zu sagen: Deine Person bleibt mir nicht fern, sie tritt in mein Herz ein, in mein Leben. Auch ich führe die Hand mit respektvoller Zuneigung zum Herzen, schaue jeden von euch an und lobe den Allerhöchsten dafür, dass dieses Treffen möglich wurde.
Ich glaube, dass wir es immer nötiger haben, einander zu begegnen, uns kennenzulernen und unsere Herzen füreinander zu öffnen, die Wirklichkeit vor die Ideen zu stellen und die Menschen vor die Meinungen, das Offensein für den Himmel vor die Entfernungen auf der Erde: eine Zukunft der Geschwisterlichkeit vor eine Vergangenheit der Feindseligkeit, indem wir Vorurteile und Missverständnisse aus der Geschichte im Namen dessen überwinden, der die Quelle des Friedens ist. Wie werden sonst die Gläubigen verschiedener Religionen und Kulturen zusammenleben, sich gegenseitig annehmen und wertschätzen können, wenn wir einander fremd bleiben? Lassen wir uns von dem Ausspruch Imam Alis leiten: »Es gibt zwei Arten von Menschen: entweder sind sie deine Brüder im Glauben oder deine Mitmenschen«; und fühlen wir uns gerufen, uns um all jene zu kümmern, die uns die göttliche Vorsehung in dieser Welt an die Seite gestellt hat. Ermahnen wir uns gegenseitig dazu, »das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen« (Nostra a e ta te , 3). Dies sind Aufgaben, die uns, den religiösen Führern, zukommen: Angesichts einer zunehmend verwundeten und zerrissenen Menschheit, die unter dem Gewand der Globalisierung mit Sorge und Angst atmet, müssen die großen Glaubensbekenntnisse das Herz sein, das die Glieder des Leibes vereint, die Seele, die den höchsten Bestrebungen Hoffnung und Leben verleiht. [...]
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