Majestät, Königliche Hoheiten, lieber Bruder, Doktor Al-Tayyeb, Großimam von Al-Azhar, lieber Bruder Bartholomäus, Ökumenischer Patriarch, verehrte religiöse und zivile Autoritäten, meine Damen und Herren!
Herzlich grüße ich Sie und bin dankbar für den Empfang und für die Durchführung dieses Dialogforums, das unter der Schirmherrschaft Seiner Majestät des Königs von Bahrain steht. Der Name dieses Landes leitet sich von seinen Gewässern ab: Das Wort Bahrain bedeutet nämlich »zwei Meere«. Denken wir an die Wasser des Meeres, die Länder in Kontakt und Menschen in Austausch miteinander bringen, indem sie ferne Völker verbinden. Ein altes Sprichwort besagt: »Was das Land trennt, vereint das Meer.« Und unser Planet Erde sieht aus der Höhe betrachtet aus wie ein riesiges blaues Meer, das verschiedene Ufer miteinander verbindet. Vom Himmel aus scheint er uns daran zu erinnern, dass wir eine einzige Familie sind: keine Inseln, sondern ein einziger großer Archipel. Genauso will uns der Allerhöchste haben, und dieses Land, ein Archipel von über dreißig Inseln, kann den Wunsch danach gut symbolisieren.
Und doch leben wir in Zeiten, in denen die Menschheit, die verbunden ist wie nie zuvor, zugleich viel mehr getrennt als geeint erscheint. Der Name »Bahrain« kann uns helfen, weiter nachzudenken: Die »zwei Meere«, von denen er spricht, beziehen sich auf das Süßwasser seiner Unterwasserquellen und auf das Salzwasser des Golfs. In ähnlicher Weise sehen wir uns heute zwei Meeren gegensätzlichen Geschmacks gegenüber: auf der einen Seite das ruhige und angenehme Meer des gemeinsamen Zusammenlebens, auf der anderen Seite das bittere Meer der Gleichgültigkeit, das von Konflikten heimgesucht und von Stürmen des Krieges aufgewühlt wird, mit seinen zerstörerischen Wellen, die immer heftiger werden und alle fortzureißen drohen. Und leider ähneln der Osten und der Westen zunehmend zwei entgegengesetzten Meeren. Wir hingegen sind hier zusammen, weil wir dasselbe Meer zu befahren beabsichtigen, indem wir den Kurs der Begegnung und nicht den der Konfrontation wählen, den Weg des Dialogs, den dieses Forum weist: »Der Osten und der Westen für ein menschliches Zusammenleben«.
Nach zwei schrecklichen Weltkriegen, nach einem Kalten Krieg, der die Welt jahrzehntelang in Atem gehalten hat, inmitten so vieler katastrophaler Konflikte in allen Teilen der Welt, inmitten von Anschuldigungen, Drohungen und Verurteilungen, befinden wir uns noch auf der Kippe, am Rande eines fragilen Gleichgewichts und wollen nicht abstürzen. Ein Paradoxon fällt auf: Während sich ein Großteil der Weltbevölkerung durch die gleichen Schwierigkeiten vereint sieht und von schweren Ernährungs-, Umweltund Pandemiekrisen sowie von einer immer skandalöseren weltweiten Ungerechtigkeit betroffen ist, konzentrieren sich einige wenige Mächtige auf einen entschlossenen Kampf für Partikularinteressen, indem sie überholte Ausdrucksweisen wieder ausgraben und Einflusszonen und einander entgegengesetzte Blöcke neu abstecken. So scheinen wir ein auf dramatische Weise kindisches Szenario mitzuerleben: Statt sich um das Ganze zu kümmern, spielt man im Garten der Menschheit mit Feuer, mit Raketen und Bomben, mit Waffen, die Tränen und Tod verursachen und das gemeinsame Haus mit Asche und Hass überziehen. [...]
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