Herr Präsident, sehr geehrte Vertreter des öffentlichen Lebens, sehr geehrte Mitglieder des Diplomatischen Korps, Magnifizenzen, meine Damen und Herren,
einen ehrerbietigen Gruß richte ich an den Herrn Präsidenten und danke ihm für den großherzigen Empfang und seine freundlichen Worte. Mit Freude begrüße ich die verehrten Mitglieder der Regierung und des Parlamentes, die Universitätsrektoren, die Vertreter der Woiwodschaften und der Städte wie auch die Mitglieder des Diplomatischen Korps und die anderen hier anwesenden Verantwortungsträger. Es ist das erste Mal, dass ich den östlichen Teil Mitteleuropas besuche, und es freut mich, mit Polen zu beginnen, das unter seinen Söhnen den unvergesslichen heiligen Johannes Paul II. hat, den Schöpfer und Förderer der Weltjugendtage. Er sprach gerne von dem Europa, das mit seinen beiden Lungenflügeln atmet: Der Traum eines neuen europäischen Humanismus wird von dem kreativen und harmonischen Atem dieser beiden Lungenflügel und von der gemeinsamen Kultur belebt, die im Christentum ihre kräftigsten Wurzeln findet.
Das Gedenken kennzeichnet das polnische Volk. Immer hat mich das lebendige Geschichtsverständnis von Papst Johannes Paul II. beeindruckt. Wenn er von den Völkern sprach, ging er von ihrer Geschichte aus, um ihren Reichtum an Menschlichkeit und Spiritualität hervortreten zu lassen. Ein Identitätsbewusstsein ohne jede Überheblichkeit ist unerlässlich, um eine nationale Gemeinschaft auf dem Fundament ihres menschlichen, sozialen, politischen, wirtschaftlichen und religiösen Erbes aufzubauen, um die Gesellschaft und die Kultur zu inspirieren, indem man sie zugleich in der Treue zur Tradition wie auch in der Offenheit für die Erneuerung und die Zukunft bewahrt. Von dieser Warte aus haben Sie vor kurzem den 1050. Jahrestag der Taufe Polens gefeiert. Es war gewiss ein bedeutender Moment nationaler Einheit, der bestätigt hat, wie die Einigkeit – auch bei Verschiedenheit der Meinungen – der sichere Weg ist, um das Gemeinwohl des gesamten polnischen Volkes zu erlangen.
Auch die nutzbringende Zusammenarbeit im internationalen Bereich und die gegenseitige Wertschätzung reifen durch das Bewusstsein und die Achtung der eigenen Identität und der Identität der anderen. Es kann keinen Dialog geben, wenn nicht jeder von der eigenen Identität ausgeht. Im täglichen Leben jedes Einzelnen wie jeder Gesellschaft gibt es jedoch zwei Arten von Erinnerung: die gute und die schlechte, die positive und die negative. Das gute Gedenken ist das, was die Bibel uns im Magnificat, dem Gesang Marias, zeigt, die den Herrn und sein Heilswerk preist. Das negative Gedenken ist hingegen das, was den Blick des Geistes und des Herzens zwanghaft auf das Schlechte fixiert, vor allem auf das, welches die anderen begangen haben. Wenn ich auf Ihre jüngste Geschichte schaue, danke ich Gott, weil Sie es verstanden haben, das gute Gedenken vorherrschen zu lassen: zum Beispiel, indem Sie die 50 Jahre der vom polnischen und deutschen Episkopat gegenseitig angebotenen und empfangenen Vergebung nach dem Zweiten Weltkrieg gefeiert haben. Die Initiative, die anfangs die kirchlichen Gemeinschaften betraf, hat auch einen nicht umkehrbaren gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und religiösen Prozess ausgelöst und so die Geschichte der Beziehungen zwischen den beiden Völkern verändert. [...]
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