Am Donnerstagnachmittag, 30. November, traf Papst Franziskus zum zweiten Teil seiner Reise in Bangladesch ein. Nach der Begrüßung auf dem Flughafen von Dhaka besuchte er zunächst eine nationale Gedenkstätte für die Märtyrer des Unabhängigkeitskrieges 1971 sowie das Bangabandhu Memorial Museum, wo er Mujibur Rahman, dem »Vater der Nation«, die Ehre erwies. Es schloss sich der Privatbesuch im Präsidentenpalast bei Staatschef Abdul Hamid an. Am Abend hielt der Papst die erste offizielle Rede, die wir im Folgenden abdrucken.
Herr Präsident,
werte Vertreter des Staates und des öffentlichen Lebens,
Eminenz,
liebe Brüder im bischöflichen Dienst,
sehr geehrte Mitglieder des Diplomatischen Korps,
meine Damen und Herren,
zu Beginn meines Aufenthalts in Bangladesch möchte ich Ihnen, Herr Präsident, für die freundliche Einladung zu einem Besuch dieses Landes und für Ihre herzlichen Begrüßungsworte danken. Ich befinde mich hier auf den Spuren von zwei Vorgängern, Paul VI. und Johannes Paul II., um mit den katholischen Brüdern und Schwestern zu beten und ihnen meine Botschaft der Zuneigung und der Ermutigung zu bringen. Bangladesch ist ein junger Staat und hat dennoch immer einen besonderen Platz im Herzen der Päpste gehabt. Von Anfang an haben sie ihre Solidarität mit seinem Volk zum Ausdruck gebracht in der Absicht, es bei der Überwindung der anfänglichen Schwierigkeiten zu begleiten, und haben es bei der anspruchsvollen Aufgabe, die Nation aufzubauen und seine Entwicklung zu fördern, unterstützt. Ich danke für die Gelegenheit, mich an diese Versammlung von Männern und Frauen zu wenden, die besondere Verantwortung bei der Gestaltung der Zukunft der Gesellschaft Bangladeschs tragen.
Während meines Fluges hierher wurde ich daran erinnert, dass Bangladesch – »Goldenes Bengalen« [Nationalhymne] – ein Land ist, das von einem ausgedehnten Flussnetz und kleineren und größeren Wasserstraßen geeint wird. Diese Schönheit der Natur steht, meine ich, sinnbildhaft für Ihre besondere Identität als Volk. Bangladesch ist eine Nation, die darum bemüht ist, eine einheitliche Sprache und Kultur zu erreichen, während es die verschiedenen Traditionen und Gemeinschaften respektiert, die wie viele Bäche fließen und wieder den großen Strom des politischen und gesellschaftlichen Lebens des Landes bereichern.
In der Welt von heute kann keine einzelne Gemeinschaft, keine Nation oder Staat in Isolation leben oder fortschreiten. Als Glieder der einen Menschheitsfamilie brauchen wir einander und sind wir voneinander abhängig. Der Präsident Scheich Mujibur Rahman hat dieses Prinzip verstanden und in der nationalen Verfassung einzugliedern versucht. Er hat eine moderne, pluralistische und inklusive Gesellschaft vor Augen, in der jeder Mensch und jede Gemeinschaft in Freiheit, Frieden und Sicherheit leben kann und in der die angeborene Würde und die Gleichheit der Rechte aller respektiert werden. Die Zukunft dieser jungen Demokratie und das Wohl seines politischen Lebens sind mit der Treue zu dieser Gründungsvision wesentlich verbunden. In der Tat kann ein Volk nur durch den ehrlichen Dialog und die Achtung der legitimen Verschiedenheit die Spaltungen versöhnen, einseitige Sichtweisen überwinden und die Gültigkeit abweichender Standpunkte anerkennen. Da der echte Dialog in die Zukunft blickt, baut er die Einheit im Dienst am Gemeinwohl auf und achtet auf die Bedürfnisse aller Bürger, besonders der Armen, der Benachteiligten und derer ohne Stimme. [...]
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